Toskana, Umbrien, Apennin...

Zehn Tage bei Sonne, Wolken, Regen und italienischen Details

Ein Bericht von Rainer Janneck Fotos: Giam Franco

Hamburg-Livorno in 24 Stunden. Als ich die Tragweite dieser Zeitangabe verstehe, ist es schon zu spät: Ich sitze im Autoreisezug. 24 Stunden für 1.400 Kilometer vor mir und Zeit genug, über das Kommende nachzudenken: Zum ersten Mal mit der neuen Honda CBR 1100 XX im Urlaub, zum ersten Mal allein, ohne Sprachkenntnisse, zehn Tage unterwegs. Eigentlich ja kein Problem, oder!? Die sonstigen Motorrad-Urlaube, üblicherweise in Frankreich oder Spanien, garantierten allerdings durch deutschsprachig geführte Motorradhotels soziale Integration. Hmmm...

Doch im Toskanaurlaub vor genau einem Jahr, bei dem ich diese grossartige September-Landschaft mit ihren herrlichen Kurven entdeckte, als halber Mann, domestiziert, mit "Mausi", mit Firmenwagen (Audi-Diesel!) schwor ich: Ich komme wieder! Ohne Mausi! Ohne Audi-Diesel! Als ganzer Mann! Mit Motorrad! Und jetzt sitzt der ganze Mann mit mulmigem Gefühl in der Bimmelbahn und sehnt sich nach seiner Mausi. Peinlich.

Nach sieben langen, einsamen Stunden allein im Abteil - inzwischen immerhin schon in Köln - steigen weitere Motorradfahrer zu, es werden doch noch die "Wohin? Worauf? Warum?..." - Gespräche der klassischen Autozugreise. Ein Schwätzchen hier, ein Bierchen dort, ein Nickerchen dann: Zack in Pisa, Zackzack in Livorno!


Reisezug-Impressionen...


Vellano, am Ende der Welt

Gut gelaunt - die Sonne scheint - fahre ich Richtung Vellano, einer der vielen Tipps von Toskana-Karl, nur finde ich aus Lucca einfach nicht raus! Alle Richtungen sind falsch. Also, als gelassener Italiener, trinke ich erstmal einen Cappuccino und lasse mir die groben Richtungen erklären. Das große und nahe Capannori ist nicht (!) ausgeschildert, Montecatini, auf der Karte eher ein Kaff, sei die richtige Richtung. Aha. Die Sonne scheint immer lauter, ich grinse und singe während meiner italienischen Jungfern-Fahrt.

Richtung Vellano. So klein, daß niemand es kennt. Die Landschaft ist herrlich, doch irgendwie kann ich es nicht recht genießen: Mir haut es auf der Strada 633 nach San Marcello dauernd das Hinterrad weg! Okay, der Dunlop 205 ist nicht berühmt wegen seiner klebrigen Mischung, aber so rutschig ist er nun auch wieder nicht?! So schlechte Straßen? So schlechte Reifen? So ein schlechter Fahrer? Komisch! Doch hatte ich nicht vor der letzten deutschen Autobahnfahrt den Luftdruck erhöht, von wegen teure Reifen schonen und so? Nächste Tankstelle raus, und tatsächlich: 3.0 Bar. Hart wie Stein. Wie soll so ein Hartgummi auch haften? Also 2.5 Bar: Siehste, geht doch. Und rein in die Kurven und weiter und weiter und weiter, bis mir tatsächlich schwindelig wurde.

1.388 Meter höher, auf dem Passo dell' Abetone, ist es richtig kalt, mit Sommerhandschuhen, Sommernierengurt, ohne lange Unterhosen, nur in der Lederkombi. Auch hier wird es Herbst. In dem Bergdorf Vellano - eine Straße, drei Meter breit, zwei Restaurants, ein sehr schlichtes Hotel, noch ein paar Häuser, das wars. Auf 700-800 Metern Höhe sitzt der Gast auch im Schatten der Berge noch gerne draußen, vor meiner ersten Unterkunft, dem "Antica Locanda del Borgo". Alte Italiener radebrechen alles Anglese und Tedesci zusammen, was Ihnen einfällt und sind von der XX beeindruckt. Gerne lasse ich mich ein wenig bewundern. Die Hausherrin, Rachel, ist, obwohl gebürtige Kanadierin, inzwischen weit mehr Italienerin als Amerikanerin. Seit zwölf Jahren lebt sie in Italien, davon sechs in Vellano mit seinen maximal zwei-, dreihundert Einwohnern.


Der erste Sonnenuntergang von vielen!


Zwei, die sich fanden...

Auf der Terrasse des Antica Locanda del Borgo sehe ich zum ersten Mal dem Sonnenuntergang zu, blicke in das tiefe Tal unter mir, dunstig, die späte Sonne färbt den Dunst kupfern, goldfarben. Meine Frau fehlt mir. Es ist zu schön hier für mich alleine. Junge Hunde jaulen herzzerreißend, sie sind auf einer Terrasse ausgesperrt. Der ganz Kleine klingt fast wie ein weinendes Baby. Ein anderer, grösserer Hund sieht mich an, legt sich auf ‚seine' Straße und wartet. Der gefällt mir, ich ihm auch. Zehn Minuten später balgen und spielen wir. Liebe auf den ersten Blick.

Im Restaurant "Tosca". Durch die offenen Fenster bestaune ich das leuchtende, glitzernde, wunderschöne, inzwischen pechschwarze Tal und lausche 70er Jahre Hits ("Daddy Cool...") Das Essen ist ein Volltreffer. Gute Vorspeisen, exzellente hausgemachte Pasta, Muscheln, Langusten, Tintenfisch, ne Flasche Wasser, ein halber Liter Rosso (sehr lecker!) und noch einen Caramelpudding für umgerechnet zwanzig Euro. Der Kellner hat mich ungläubig angestrahlt wegen des fetten Trinkgeldes. Die süddeutschen Damen am Nebentisch mit der erotischen Ausstrahlung von Synthetik-Socken bewegen sich zum Takt, temperamentvoll wie Bügeleisen, und demonstrieren ihre Textkenntnisse der 70er Jahre Musik mit entsprechenden Lippenbewegungen. Was mich daran so gehässig macht ist wohl, daß auch ich die Texte auswendig kann...


Sieht super aus, ist aber ganz schön frisch!


Irgendwo, unterwegs...

Am nächsten Morgen. Es hat geregnet. Alles ist nass. An diesem Ort der Stille schaue ich am frühen Morgen mit einer wärmenden Tasse Cappuccino in der Hand, in Jogginghose und Adiletten an den Füßen runter in das dampfende Tal. Die Frühsonne inszeniert heute ein Farbspiel wie weißleuchtende Watte. Immer mehr wird die dunkelgraublaue Wolkenfront gegen hellen Himmel getauscht. Der Hund setzt sich neben mich auf die Felsbrüstung und schaut mit mir ins Tal. Eine Nacht werde ich noch bleiben. Es ist zu schön hier. Im Hintergrund eine frühmorgendiche, unaufgeregte Debatte zu Afghanistan oder so. Das scheint hier alles nicht so bedeutend zu sein. Niemand auf der Welt dürfte ein Interesse zu haben, hier, in diesem schönen Nichts namens Vellano, irgendeinen Schaden anzurichten. Es lohnt sich einfach nicht.

Mittags über die auf der Karte zu Recht grün-gelben Strassen 663 und 324 via Monte Alto und Castelnuovo nach Barga. Nach den ersten Pässen über 1.500 Meter ist mir wieder schweinekalt. Endlich Sonne, langsam wärme ich auf und bin wie gerädert. Pässe fahren ist herrlich und anstrengend, Muskelkater habe ich. Ein Norddeutscher in den Bergen. Wie mögen dann erst die Alpen sein? Um mich herum pralles, italienisches Leben. An der Plaza von Barga ist eine Baustelle. Die ist nicht nur durch Schranken, Schilder und die Bauarbeiten selbst als ‚Strada Chiusi' zu erkennen. Nein, sogar Polizei - Carabinieri - ist präsent. Ein sehr nach Dorftrottel aussehender junger Mann hat eine ordnungshütende Jacke und Mütze verpasst gekriegt, hält mit Jedem ein Schwätzchen, stoppt dann und wann aus unerfindlichen Gründen Irgendjemanden, aber niemand beachtet ihn. Auch gibt er weisend und ordnend aussehende Hand- und Armzeichen, deren Adresse und Inhalt erfrischend unklar bleiben.

Niemanden stört oder wundert, daß sich alle ausgerechnet mitten auf der Straße unterhalten und so den Verkehr total behindern. Die Dorfjugend trifft sich direkt neben mir, selbstverständlich laufen derweil die Mopedmotoren mit den ebenso selbstverständlich demontierten Schalldämpfern.


Kühle Gasse, nach Feuchtigkeit, Knoblauch, gebratenem Fisch und Zitrone riechend.


Erste Klasse Sonnenuntergang!

Wieder in Vellano sind keine Wolken mehr am Himmel, es ist früher Abend, selbst auf dieser Höhe sind die Temperaturen noch angenehm. Das tiefe Tal in Watte. Was für ein Unterschied, diese Höhendifferenzen, wie ein anderes Land. Unter mir fliegt ein Schwarm weißer Vögel. Für mich Norddeutschen ist es warm genug, daher trinke ich meinen Cappuccino draußen und tobe mit dem Hund. ‚You are as crazy as I am' sagt bewundernd Giam Franco, silbergrau-bezopfter Fotograf und Barbetreiber des Antica Locanda del Borgo. Ein Auto pro Viertelstunde fährt durch die Strasse, Hauptverkehrszeit, manchmal macht der Hund freiwillig Platz, manchmal nur nach Aufforderung, manchmal gar nicht. Zwanzig Meter neben mir, auch auf der Felsbrüstung der Strasse, sitzt unbeweglich ein etwa fünfzigjähriger Italiener. Sichtlich zufrieden. Als ob er wartet. Nur, er achtet auf nichts Ankommendes. Der sitzt da einfach nur und ist zufrieden! Komisch.

Ein weiteres köstliches Abendessen beschliesst meinen Aufenthalt in Vellano. Giam, der Barbesitzer, singt dem schicken italienischen Paar, dass vermutlich gerne ungestört zu Abend gegessen hätte, sein komplettes Repertoire an italienischer Folklore vor. Und spielt dazu Gitarre. Anschliessend massiert er noch den Nacken der Dame. Und singt nochmal. Aber die Beiden sind gar nicht genervt, im Gegenteil: Sie genießt ihren nun entspannten Nacken, er unterhält sich bestens mit Giam. Der Unentspannte bin offensichtlich ich. Es ist spät, nach ein paar Rumtobereien mit dem Hund - der springt mir inzwischen in den Arm! - gehe ich zu Bett.

Wieder ein früher, frischer Morgen, ich bepacke das Motorrad: Abschied von Vellano. Der Hund sitzt neben mir auf der Felsbrüstung an der kleinen Hauptstrasse. Aus Giams Bar höre ich traurige Musik. Der Hund bellt als ob er merkt, daß ich gehen will. Gestern saß hier noch der zufriedene Mann. Auf einmal bellt der Hund mich an - zum ersten Mal! - und geht.

Mittags in Dicomano, es ist Markttag. Hupen, Feilschen, Brüllen, Lachen, Gerüche, Essen, schöne Männer, schöne Frauen, alte Männer, alte Frauen. Alle sind rausgeputzt. Warum gehe ich eigentlich so selten auf den Markt? Ein Cappuccino und zwei Alka-Seltzer wegen der Völlerei sind das zweite Frühstück. Hier ist es schön. Eine bauchfreie junge Mutter zweier Kinder räumt gerade die Aufmerksamkeit des Obst- und des benachbarten Wäschestandes ab. Der Carabinieri guckt auch. Ich sowieso. Respekt, Signora!

Sansepolcro ist das heutige Ziel. Das Hotel ‚Fiorentino' ist doppelt so teuer und nicht halb so romantisch. Aber die Plaza! Die Damen sind zurecht gemacht, als wollten sie heute und keine Sekunde später den Mann ihres Lebens finden. Gänsehäute kriege ich, tief beeindruckt von so viel prallem Leben. Heute ist hier Treffpunkt einer Oldtimer-Rallye. Erwachsene und zudem sehr wohlhabende Männer machen mit ihren Jahrzehnte jüngeren Frauen und Jahrzehnte älteren Nobelautos so viel Krach, wie es beim dollsten Kindergeburtstag nicht schöner hätte sein können. Immer wieder werden Motoren gestartet, brabbeln vor sich hin, dann ein plötzliches, lautes Aufbrüllen der Motoren, dann wieder ruhiges Brabbeln. Die Gänsehaut der Rennstrecke. Ein Ferrari ist total frisiert und fährt angeblich nur mit Flugzeugbenzin, der Fahrer hat eigene Mechaniker im Begleitfahrzeug dabei.

Dann beginnt der Corso von Sansepolcro, ein allabendliches Auf und Ab schöner Menschen. Das Tollste, aber auch das Allertollste sind die jungen Mütter. Die Damen sehen hier alle aus wie Weltklasse-Models. Wie machen die das? Besonders die Mütter? Keine gestressten Gesichter, entspannt, schön, graziös, sexy... Haben die selbstfütternde, selbstwaschende Babys? Sogar die ‚Alternativen' sehen aus wie aus dem Katalog. Gibt es in Deutschland auch ein so deutliches Attraktivitätsgefälle zwischen Männern und Frauen? Im Restaurant des Fiorentino ist zwar das Essen ausgezeichnet. Leider geht es recht unentspannt und hektisch zu.
Und dann regnet es drei Tage wie aus Kübeln. Auf dem Weg nach Cortona unter schwarzen Wolken erlebe ich trotz pitschnasser Strasse zwischen Trestina bei Umbertide und Cortona eine Strecke, die, obwohl kaum über 1000 Meter hoch, zum Schönsten, Wahrsten und Besten gehört. In Cortona übernachte ich im Hotel ‚Oasi Neumann'. Und finde auf dem Parkplatz die gelbe BMW 1150 GS von Bernd aus Köln vom Autoreisezug. Jemand zum Reden! Mir fällt auf, daß ich seit Tagen nicht mehr gesprochen habe. Endlich! Hurra! Doch erst ins Hotel und die nassen Sachen auf die bereits eingeschalteten Heizungen gelegt. In der Toskana im September Heizung! Nach großem Hallo - Köln grüsst Hamburg - und jeder Menge Gequassel - endlich Reden - und viel Rosso zufrieden ins Bett. Ein tolles Hotel!


Pitschnass, drei Tage lang!


Da sitzt man dann, stundenlang, und denkt an nichts.

Am nächsten Morgen folgte ich einem Tipp und besuchte ein Nonnenkloster, in dem man angeblich auch übernachten könne, das ‚Serve di Maria Riparatrici'. Es konnte besser nicht sein... Eine süße, kleine, alte Nonne führt mich in den Frühstückssaal, zeigt mir den wunderbaren Ausblick ins Chiana-Tal wie ihr liebstes Spielzeug, strahlt mich an und will mir gleich ein Frühstück verpassen. Die Atmosphäre überwältigt mich, das Grinsen kriege ich gar nicht mehr aus dem Gesicht. Hier ist es nicht schick oder komfortabel. Es ist echt, wirklich und wahrhaftig. Dermassen schwärmend sage ich, ohne die Zimmer - Camera - gesehen zu haben, Übernachtungen zu. Meine Camera ist dann auch wirklich bescheiden. Ich schlafe trotzdem (oder deswegen?) so gut und behütet wie lange nicht mehr.

Die nächsten Tage gehören den Kurven um Cortona, Umbertide, Gubbio, Perugio, Orvieto, Chiusi, dem Lago Trasimeno. Kann sein, dass ich der Landschaft Unrecht tat, doch an manchen Tagen erinnere ich mich nur an Brems- und Beschleunigungspunkte auf der Strasse. Und an den Monte Amiata, mit über 1700 Metern der höchste Berg der Toskana. Es ist nahezu egal welche Route man wählt: Es ist immer ein Genuß. Namenlose, auf der Generalkarte 1:200.000 gelb-grüne Straßen, die extrageile Strada 478, Abbadia, San Salvatore und und und... Am Abend, mit vielleicht etwas zuviel Rosso im Blut, suche ich zufrieden meine Camera mit der Nr. 14 auf. Der Schlüssel hakelte von Anfang an, aber jetzt passt der gar nicht mehr! Alle Gewalt scheint vergeblich. Immer noch in schwarzen Motorradklamotten stehe ich - übelriechend und kurz vor einem Gewaltausbruch - vor ‚meiner' Tür, als die kleinste aller Nonnen auf mich zukommt. So klein, dass ich in die Hocke gehe um nicht überheblich zu wirken. Die kleine Nonne erklärt lächelnd, fast lachend, mit Händen und Füßen. Ich verstehe nicht. Sie bedeutet mir zu folgen und kichert. Langsam, ganz langsam verstehe ich, dass ich nicht im Gästetrakt, sondern im Nonnentrakt die Nummer 14 aufbrechen wollte. Wir lachen beide. Ich grosses schwarzes Monster und diese weisse, kleine, sanfte Kraft der Liebe und Gelassenheit. Ein wunderschöner Moment.


... viel Spass am Nonnenerschrecken ...

Im morgendlichen Frühstückssaal stellt mir die andere süße Nonne, die mir am ersten Tag ‚Ihr' Tal zeigte, ein Frühstück hin. Es ist bereits nach 09.00 Uhr und selbstverständlich ist alles bereits abgeräumt. Sie schaltet mir zuliebe den Fernseher an. Die Morgensonne scheint durch das Fenster, unten dampft das Tal. Sie zappt hin und her und findet eine Dauerwerbesendung zum Frühstück passend. Das Bild, wie diese rührende kleine Nonne zu dem Fernseher aufsieht, ihr Gesicht, ihre Mimik bei kurzer Bewertung des laut und lauteren jeweiligen TV-Programms, die Fernbedienung ist fast zu groß für ihre kleine Hand, das kindliche Staunen - völlig wertfreies Staunen - über die Dinge, die nun mal so sind. Was geht in diesem kleinen Kopf vor? Diese kleine Welt ist so rührend, ich kann es gar nicht fassen. Die Strecke nach Norden zum Reisezug nach Verona beginne ich auf der SS71 und nehme in der wohl ungemütlichsten Bar der Toskana (so ne üble Trucker-Bude...) ein kräftiges zweites Frühstück und beschliesse, obwohl immer noch ziemlich verkatert, doch wieder auf gelbgrüne Strassen auszuweichen. Zweihundertfünfzig Kilometer mit 30km/h bis maximal 70 km/h in acht Stunden ununterbrochener Fahrt mit mehr Kurven als ansonsten in einem ganzen Jahr. Bibbiena, Borgo San Lorenzo, Firenzuola, Grüngelbes ohne Ende... Ich kann keine Kurven mehr sehen, denke ich. Meine Beine zittern, ich bin völlig erledigt. Das ‚La Torre di Jano' in Sasso Marconi bei Bologna suchend, kriege ich erstmal einen Kulturschock: Ein richtiger Touristenort im Apennin. Die Abgeschiedenheit und Ruhe aus Umbrien ist vergessen. "...gleich am Anfang des Ortes eine steile Auffahrt..." ist die Wegbeschreibung von Toskana-Karl. Uuuups, das ist aber sehr steil! Naja, da muss ich wohl durch: Ein Herz gefasst und den fast 300kg schweren Brocken trotz Stummellenkern mit Karacho wie eine Enduro durch die Kiesauffahrt raufgedroschen...bis nichts mehr vor, nichts mehr zurück, nichts mehr links oder rechts geht. Gut dass niemand zugesehen hat, wie ich mich da wieder rauswühlte. Als ich die richtige Steilauffahrt endlich fand (wie fährt man eigentlich mit fast 300kg und Stummellenkern in Schrittgeschwindigkeit steil ansteigende 180-Grad-Kurven???) finde ich trotzdem: Das hat sich gelohnt! Ein wunderschönes Haus, tolle Zimmer, wunderbare Terrasse, extrageiler Ausblick. Das ‚La Torre di Jano' ist eine Pracht. Und nirgendwo in der Toskana, im ganzen Urlaub, habe ich so gut gegessen. Exzellent. Das Bisherige war gut, sehr gut sogar. Aber das hier...! Allerdings übersteigt das Abendessen auch locker die Kosten der Übernachtung. Trotzdem: Das ‚La Torre di Jano' ist unbedingt zu empfehlen.


Der letzte Abend...

Am letzten Urlaubstag nochmal entspannte Kurven auf der SS64, nach hiesigen Verhältnissen eine grosse, gerade Hauptstrasse, für Nordeuropäer eine mittlere, recht kurvige Landstrasse. Wichtig: Es geht immer mal 100-1000 Meter geradeaus, um auch mal die Landschaft zu sehen. Kurven gibt es immer noch genug. Mittlerweile ist die Sonne untergegangen, wieder liegt das Tal im Nebel... ... und wieder ist es früher Morgen, in vierundzwanzig Stunden bin ich zurück in Hamburg. Die Sonne kitzelt die nebelverhangenen Berge wach. Weisse Helligkeit, ein herrlicher Ausblick, eine kalte Nase, warmer Cappuccino, ein grosses schwarzes Motorrad, ein schwarz gekleideter Mann und eine Träne beginnen diesen letzten Tag.
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